DYLAN DOG – NEUAUSGABE bei Libellus: Interview mit der Übersetzerin Monja Reichert
Dylan Dog erscheint in dicken, farbigen Sammelbänden von je über 300 Seiten – kurzum: jeder deutsche Band besteht aus drei italienischen Bänden!
- Der deutsche Band 1 beinhaltet die italienischen Geschichten 1,2 und 3
- der deutsche Band 2 beinhaltet die italienischen Geschichten 4,5 und 6 und so soll es bis mindestens Nummer 150 weiter gehen.
Danach entscheidet sich, ob sich das Ganze nicht noch auf die italienischen bis dato 340 Bände ausweiten wird. Die deutschen Leser aber dürfen sich erst einmal auf den Neueinstieg, viele Überraschungen, viele Neuigkeiten, viele Ticks, Tricks und Fälle freuen, die ihnen mit jeder einzelnen Story bevorstehen.
Veröffentlicht wird die neue DYLAN DOG-Buchreihe durch Libellus, ein in Kroatien führender Comic-Verlag, der nun seine Tätigkeit bis nach Deutschland ausgeweitet hat. Der Verleger, der Dylan Dog aufgrund seiner großen Comic-Leidenschaft wieder auferstehen lies, heißt Damir Raic.
Der erste HC-Sammelband wirkt sehr wertig. Eine schöne Idee war es, auf der Rückseite eine kleine Comicographie abzudrucken. Die enthalten Alben werden mit Cover vorgestellt. Die Cover sind im Buch auch nochmals ganzseitig den jeweiligen Geschichten vorangestellt.
Und das matte Papier ist sogar super. Besser geht es nicht. Die Farben kommen darauf jedenfalls sehr gut zur Geltung. Satter Druck. Die Farbgestaltung ist sicher persönlicher Geschmack. Einzig das Hemdrot des Helden ist schon sehr knallig.
Die Storys werden sehr visuell erzählt. Das macht das Konsumieren der spannenden Comics sehr kurzweilig und flüssig. Zeitweilig fühlt man sich an TWD erinnert. Viel Spaß also beim Lesen, Sammeln, Gruseln, Zittern, Ermitteln, Grübeln und Lachen.
Wer sich für Dylan Dog bereits länger interessiert (Carlsen/Schwarzer Klecks), der wird auch die Texte der deutsch-italienischen Übersetzerin Monja Reichert kennen. Sie hat bereits die ersten 62 Bände übersetzt und ist auch bei der Libellus-Ausgabe mit an Bord.
Das erste Interview 2015 führte PPM mit Dylan Dog – Übersetzerin Monja Reichert.
PPM: Neben anderen Dingen hast du schon viele Comics für diverse Verlage übersetzt. Hast du eine besondere Vorliebe dazu und wie entsteht der Kontakt zu den Verlagen. Melden die sich bei dir? Erzähl mal, auch für welche Verlage du bisher gearbeitet hast.
Monja Reichert: Oh ja, eine besondere Vorliebe zu Comics gibt es zweifelsohne. Ich hoffe immer, dass dies auch in meinen Übersetzungen erkennbar ist. Ich habe schon immer gerne gelesen, sowohl Bücher als auch Comics!
Autor und Zeichner sind Berufe, die ich bewundere… ich versinke regelrecht in Worten guter Autoren und die Comic-Zeichenkunst überwältigt mich total. Ich könnte einem Illustrator stundenlang bei seiner Arbeit zusehen.
Der Kontakt zu den Verlagen entstand zu Beginn meiner Übersetzerlaufbahn mit nerviger Insistenz meinerseits bei diversen Verlagen (nicht immer von Erfolg gekrönt). Jahre später folgte Phase Zwei, die dank der Redakteur-Wechsel von einem Verlag zum anderen eingeleitet wurde. Redakteure, für die ich vorher gearbeitet hatte, meldeten sich wieder bei mir, wenn sie im neuen Verlag Übersetzer suchten oder aber ich fand zufällig heraus, dass dieser und jener frühere Auftraggeber nun für einen anderen Verlag arbeitete – also hakte ich nach, ob sie nicht Aufträge für mich hätten und wurde so in ihre Übersetzerdatei aufgenommen. Der eine hatte sofort etwas für mich, der andere eventuell Jahre später. Oder gar nicht.
Nach über einem Jahrzehnt als Comicübersetzerin kam glücklicherweise Phase Drei, in der ich von den Verlagen kontaktiert wurde, ohne dass ich um Jobs bitten musste. Das ist besonders aufregend und macht das jahrelange Flehen um Aufträge wieder wett. Denn man merkt, dass die getane Arbeit geschätzt wird und gefällt – eine bessere und schönere Motivation gibt es nicht! Ich denke auf jeden Fall, dass man nicht passiv werden darf. Man muss hin und wieder Lebenszeichen von sich geben, damit sich die Verlage an einen erinnern, eventuell, nachdem es eine längere Auftragsflaute gab.
Bisher habe ich für kleinere und größere Verlage gearbeitet, für den Großteil arbeite ich heute noch, für andere wiederum nicht mehr.
Heute sind meine treuen Auftraggeber die Redakteure vom Splitter Verlag, Tokyopop, Cross-Cult und vor allem Panini. Und nun natürlich auch Libellus!
PPM: Wie kam es dann zur Übersetzungstätigkeit für Dylan Dog?
Monja Reichert: Hier zitiere ich am besten das, was ich damals im Interview der Jubiläumsausgabe 50 von Dylan Dog erzählt habe, denn das trifft exakt den Punkt:
„Witziger Weise kann ich mich noch genau an den Moment erinnern, als ich auf die Idee kam. Ich studierte noch und war recht genervt von den trockenen Texten über Politik und Wirtschaft, als ich im Zug nach Rom Dylan Dog las und zu meiner Schwester sagte „So was würd’ ich gerne übersetzen! Comics! Und nicht Wirtschaftstexte, Politikartikel und langweilige Gerichtsunterlagen!“ (ich studierte damals an der Sprachen- und Dolmetscherschule in München) und sie erwiderte „Mach doch!“, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
Allerdings setzten diese zwei Worte Himmel und Hölle in Bewegung. Zurück in München machte ich mich im Comicladen unbeliebt, da ich ständig nachhakte, ob sie schon mal von Dylan Dog gehört hätten. Aber eines Tages meinte der Verkäufer dann (irgendwie erleichtert), er hätte den Titel in einer Vorankündigung von Carlsen gesehen. Da musste nun Carlsen dran glauben. Ich schickte eine Probeübersetzung und der arme Joachim Kaps, der damals noch bei Carlsen war, bewies bei meiner sturen Fragerei, ob sie sich denn für einen Übersetzer entschieden hätten, wirklich eine Engelsgeduld. Nach mehreren Monaten, nachdem auch noch das letzte Fünkchen Hoffnung gestorben war, den Auftrag zu bekommen, klingelte das Telefon…“
Gleiches wiederholte sich ähnlich Jahre später, nachdem der Albtraumjäger von Carlsen fallengelassen worden war und ich erfuhr, dass man einen Neustart mit DD versuchen würde. Diesmal musste der arme Baldur Buscher dran glauben, den ich wochen- wenn nicht monatelang mit meiner Sturheit quälte. Auch er war die Geduld und Freundlichkeit in Person und gab mir schließlich den Job, der ganze 62 Ausgaben anhielt.
PPM: Welchen Reiz macht für dich selbst die Serie aus?
Monja Reichert: An dieser Stelle müsste ich wohl sagen, Dylans „Menschlichkeit“ oder Grouchos Humor oder das grusel-romantische Potpourri der Geschichten. Aber auch wenn es seltsam erscheint, das ist eine wirklich schwierige Frage. Vielleicht ist sogar der Ausdruck Reiz etwas fehl am Platz, denn ich gebe zu, dass eine Serie, wenn man sie nun schon seit über zwanzig Jahren liest, nicht mehr solch einen Reiz versprüht wie andere. (Selbst in Italien stehen ja nun nach fast dreißig Jahren Riesen-Veränderungen an, da der gute Mann etwas von eben diesem „Reiz“ verloren hatte).
Dylan Dog ist für mich eher wie ein sehr guter, alter, vertrauter Freund, der mich lange Jahre meines Lebens begleitet hat, nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch als Geschäftspartner sozusagen.
Die Serie, die ich am längsten betreut habe, bei der ich am meisten mitentschieden habe und von der ich am meisten Alben übersetzt habe, immerhin 62 Stück (+2, aber das ist eine andere Geschichte)…
Das Projekt, das mir den meisten Kummer bereitet hat, weil mir gerade an ihm immer besonders viel lag. Er war sozusagen „mein Schützling“, der, mit dem meine Comic-Übersetzer-Laufbahn begonnen hat und den immer nur ich übersetzt hatte.
Der jetzige Neustart ist wie das Wiedersehen eines verlorenen gegangenen Freundes, der nach jahrelangem Verschwinden plötzlich wieder auftaucht. Und es ist, als sei er nie fortgewesen. Ich setze mich an die Geschichten, die alte Vertrautheit kommt wieder hoch… DAS ist für mich nun der Reiz dieser Serie. Eher was Persönliches, nichts, was mit den Protagonisten und Zutaten an sich zu tun hat.
PPM: Wie lange benötigst du für die Übersetzung eines Sammelbandes?
Monja Reichert: Das hängt immer von der Komplexität der Geschichte, von Grouchos mehr oder weniger komplexen (übersetzertechnisch gesprochen) Sprüchen und davon ab, an wie vielen Aufträge ich parallel arbeite. Ich kann für eine 100-seitige Geschichte daher zwischen zwei und vierzehn Tagen brauchen. Für einen Sammelband mit 300 Seiten brauche ich daher an die drei Wochen, da es selten vorkommt, dass ich mich zwei Wochen nur einem Auftrag widmen kann.
PPM: Hast du noch Mitarbeiter oder machst du das alles alleine?
Monja Reichert: Ich mach das alleine. Manchmal wünschte ich mir, ein kleines Übersetzerbüro aufgebaut zu haben, mit ein zwei Mitarbeitern, mit denen man zusammenarbeiten kann, sich die Arbeit in Extremfällen aufteilen oder mit denen man sich hin und wieder beraten kann. Doch ich habe es nie wirklich versucht. Dazu fehlten mir die Zeit und die finanziellen Mittel (für ein Büro zum Beispiel) und in den ersten Jahren hätte ich auch nicht gewusst, an welche “Kollegen” ich mich wenden soll. Dann kam mein Umzug nach Italien. Dann kamen meine zwei Töchter… und so verlief sich dieser Gedanke dann im Sand…
PPM: Wie entstand die Verbindung zum Libellusverlag?
Monja Reichert: Eines Tages klingelte mein Handy und eine Stimme fragte mich, ob ich die Übersetzerin von Dylan Dog sei. Das war der Verleger Damir Raic. Im weiteren Verlauf des Gesprächs fragte er mich, ob ich denn Lust hätte, Dylan Dog wieder in die Hände zu nehmen. Als gebranntes Kind zeigte ich mich anfangs nicht sonderlich enthusiastisch, sagte aber zu. Ich wusste nicht, wie ernst ich diese Frage nehmen sollte. Monate vergingen, ich hatte Dylan Dog schon wieder vergessen. Und nun halte ich dieses sagenhaft dicke, farbige Buch in den Händen!
PPM: Wie viele Bände sind schon übersetzt?
Monja Reichert: Also für die Verlage vorher habe ich 62 Alben übersetzt. Für Libellus habe ich noch nichts übersetzt, wollte ich mich aber in diesen Tagen endlich ransetzen, denn immerhin kommt im März 2015 Band 2 raus und ich werde alle drei Geschichten neu übersetzen.
PPM: Warum wurde Band 1 nicht neu übersetzt?
Monja Reichert: Da will ich ganz ehrlich sein. Als mich der Verleger damals also fragte, ob ich an der Weiterführung interessiert sei, sagte ich recht trocken zu. Er wollte gern die schon existierenden Geschichten haben und ich verkaufte sie ihm zu einem Schnäppchenpreis. Das kam mir auch ganz gelegen, da ich in dem Moment viele andere Dinge auf dem Plan stehen hatte.
Ihm gefielen meine Übersetzungen von damals und ich schickte ihm also die ersten drei Geschichten aus meiner verstaubten DD-Akte, die ich irgendwo auf einer CD abgespeichert hatte. Er ließ alles lettern, und als es dann wegen der Sprechblasenordnung zu ein paar Ungereimtheiten kam, sah ich mir das Ganze näher an. Und so wurde die Entscheidung getroffen, vom vierten Heft an jede Geschichte NEU zu übersetzen.
Nun soll man natürlich nicht glauben, dass in diesen Erstveröffentlichungen schlechte Arbeit geleistet und zu frei übersetzt wurde. Aber wie gesagt, es war der Anfang meiner Comic-Übersetzerlaufbahn.
Was nun also ab Sammelband 2 rauskommt, entstammt der Übersetzerfeder einer Frau, die vierzehn Jahre mehr Erfahrung auf dem Buckel hat und hoffentlich noch den trockenen Humor von Groucho ins Deutsche übertragen kann!! 😉
PPM: Monja, vielen Dank für die Schilderung deiner Dylan Dog-Erlebnisse und Erfahrungen!
Aus: www.ppm-vertrieb.de
Autor: Michael Hüster
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