Diabolo der Große
Originaltitel: Diabolo il Grande, ursprünglich erschienen 1987, Italien
Autor: Tiziano Sclavi
Zeichner: Luca dell’Uomo
Beobachtungen von Tobias O. Meißner
– S. 111: Bereits das erste Bild nennt man wohl Sex & Crime, oder?
– S. 117: “Erich” wird in dieser Episode gespielt von Erich von Stroheim (1885 – 1957), der für seine Verkörperung sadistischer preussischer Offiziere den Beinamen “The Man you love to hate” erhielt. Noch interessanter waren aber die größenwahnsinnigen Filme, die er als Regisseur inszenierte, und mit denen er an Hollywoods rigidem Studiosystem zerschellte.
– S. 122: Auf dem Plakat ist interessant, wie der Zauber-Act als “kinky” angepriesen wird. In den 80ern war diese Vokabel womöglich noch nicht so vollständig sexuell aufgeladen wie heutzutage; wenn ich mir das Kostüm von Diabolos Assistentin der vorangegangenen Seiten so anschaue, aber vielleicht doch.
– S. 146/7: Hier finde ich gelungen, wie durch das dreifache “Click” der Lichtschalter drei aufeinanderfolgende Räumlichkeiten schlaglichtartig ausgleuchtet werden. Jedes “Click” bedeutet einen Ortswechsel. Das könnte man auch in einem Film sehr schön so darstellen.
– S. 148: Ein Vorteil der colorierten Version: Eine Badewanne voller Blut sieht in Farbe bedeutend eindrucksvoller aus als in Schwarzweiß. Das vierte “Click” beendet die Szene, ein fünfstes “Click” (das eines Fotoapparates) eröffnet sie auf der nächsten Seite neu.
– Früher galt für Horrorfilme: Wer Sex hat, muss sterben. Bei “Dylan Dog” scheint zu gelten: Wer Sex hat mit Dylan Dog, muss sterben. Das ist in diesem Libellus-Sammelband nun schon das dritte Mädchen, das ermordet wird, kurz nachdem es mit Dylan geschlafen hat. Wann bringt ihn das eigentlich auf die Idee, ein bisschen enthaltsamer zu werden?
– S. 149/150: Bloch hat auf diesen beiden Seiten eine nicht unattraktive, wenngleich schnippisch-konservative Assistentin dabei. Der alte Schwerenöter.
– S. 154: Der Song heißt “Old Souls”, ich finde aber keinerlei Hinweise darauf, dass Billie Holiday ihn jemals gesungen/aufgenommen hat. Auch das abgebildete “Rarities”-Album kann ich in keiner Liste entdecken. Entweder handelt es sich um ein nur in Italien erhältliches Bootleg, oder das Billie-Holiday-Album steht nur zufällig herum, während Dylan ein ganz anderes Album abspielt. Interessanterweise ist nämlich das Lied in erster Linie durch eine Version von Paul Williams bekannt, und Paul Williams hat Sclavi doch schon in Episode 6 “Die Schönheit des Dämons” erwähnt, von dem scheint er ein Fan zu sein.
– S. 167, letztes Bild: hier “scheint” Jack Nicholsons Grimasse aus “The Shining” durch.
– S. 178, Bild 4: Ich glaube, auf dem Karton steht “The Spirit”, eine Hommage an Will Eisners berühmten Comichelden aus den 40er Jahren, der eine schwarze Maske trägt wie auf dem Karton abgebildet.
– S. 185, Bild 2: Von “The Spirit” zu “The Shadow”: Walter B. Gibson war nicht nur Magier (und in dieser Funktion Verfasser von Fachliteratur und Ghostwriter unter anderem für Harry Houdini), sondern vor allem der Autor der großartigen “The Shadow”-Romane aus den 30er und 40er Jahren (von denen ich schon zwanzig gelesen habe, und ich lese begeistert weiter). Diese Pulp-Novels sind nicht zuletzt aufgrund von Gibsons Bühnenmagie-Erfahrungen außergewöhnlich komplex konstruiert, und “The Shadow” ist ohnehin eine der beeindruckendsten Figuren aller Zeiten, eine Mischung aus Sherlock Holmes und Dracula mit zwei großkalibrigen Kanonen, mit denen er (viel skrupelloser als sein Nachahmer Batman) Bösewichte ummäht. Aber ich schweife ab.
– Der Song auf derselben Seite ist diesmal einfacher und eindeutig zu bestimmen: “Moon over Bourbon Street” von Sting, 1985 erschienen, eine offensichtlich von den Romanen von Anne Rice inspirierte Vampir-Ballade.
– S. 190: Das letzte Bild mit dem Schatten löste eine undeutliche Assoziation bei mir aus. Die “Das Omen”-Filmplakate, wo der Schatten von Damian etwas anderes ist als der Schatten eines Kindes? Oder doch “Psycho”? Aber beides passt nicht so ganz. Weiß jemand weiter? (Ich habe in dieser Episode noch eine zweite “unklare” Erinnerung: Auf S. 175 im ersten Bild links kommt mir das Gesicht der Frau bekannt vor, aber ich kann sie nirgends zuordnen. Auch der “Nosferatu” neben ihr ist eigenartig, er stammt weder aus Murnaus noch aus Herzogs Version – woher dann?)
– S. 203/4: Ziemlich brutal, wie Dylan dem Angreifer ins Gesicht schießt, oder? Ich meine, er hätte ihm auch die Pistole seitlich gegen den Kopf dreschen können, das hatte wohl genügt, um ihn aufzuhalten… Oder hat Sclavi sich hier doch von Gibsons “The Shadow” inspirieren lassen?
Zu guter Letzt will ich auf eine Verbindung zwischen dieser Dylan-Dog-Geschichte und der davor hinweisen:
Als es bei Dylan Dog 10 um einen verhexten Spiegel ging, erinnerte mich das an den herausragenden britischen Grusel-Episodenfilm “Dead of Night” (“Traum ohne Ende”) aus dem Jahre 1945. Aber dann dachte ich, verhexte Spiegel gibt es wahrscheinlich wie Sand am Meer, und beschloss, es nicht zu erwähnen.
Dass allerdings gleich die nächste Dylan-Dog-Geschichte eine Bauchrednerpuppe enthält, die die Kontrolle über ihren Bauchredner übernimmt, kann nie und nimmer ein Zufall sein, denn dies ist die berühmteste der Episoden aus “Dead of Night”, übrigens der unheimlichste Horror-Kurzfilm, den ich je gesehen habe. Michael Redgraves Darstellung des verrückten Bauchredners ist schlichtweg atemberaubend.
Von dieser Episode gibt es ein Remake: “Magic – Die Puppe des Grauens” von 1978. In diesem Film spielt Anthony Hopkins den Bauchredner, und an Anthony Hopkins erinnert das Aussehen von Diabolo dem Großen in vorliegender Dylan-Dog-Folge (z. B. auf S. 152, letztes Bild) – nur dass Anthony Hopkins in “Magic” keinen Bart trägt, dieser “Look” scheint eher seiner Rolle in “The Elephant Man” (1980) entnommen. Verwirrend genug? Aber so sind die Muster, die Tiziano Sclavi mitsamt seinen Zeichnern webt. Wie Erich von Stroheim in diese Assoziationskette passt, ist mir unklar, aber ich habe “Magic” nie gesehen, vielleicht gibt es dort irgendeinen Stroheim-Bezug.
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