Der Weg durch den Spiegel
Originaltitel:Attraverso lo specchio, ursprünglich erschienen 1987, Italien
Autor: Tiziano Sclavi
Zeichner: Giampiero Casertano
Beobachtungen von Tobias O. Meißner
Das Titelbild dieses vierten (Sammel-)Bandes gefällt mir schon einmal sehr gut. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie leicht der Tod ist, mit dem Dylan hier tanzt.
-S. 16: Groucho ist ein rosa Hase? Es gibt doch eine spätere Dylan-Dog-Episode (Nr. 24) mit dem Titel “Rosa Hasen morden gern”…
-S. 19: Würde der Tod hier einen roten anstatt eines schwarzen Umhangs tragen, würde sein Auftritt die Treppe hinab der berühmten und wunderschönen Farbsequenz des Stummfilms “Phantom of the Opera” von 1925 entsprechen, in der wiederum Edgar Allan Poes “Die Maske des Roten Todes” inszeniert wird.
-S. 25: Da ist ja wieder das “Bye, bye, love”-Lied, das sich wie ein Leitmotiv durch die bisherigen Abenteuer Dylans zu ziehen scheint.
Auf S. 48 dachte ich erst, das abgewandte Porträt von Vater und Sohn könnte gut von René Magritte gemalt worden sein. Und voilá, im letzten Bild dieser Seite wird ganz konkret ein Gemälde Magrittes zitiert: “La Durée poignardée (Time Transfixed)”. Ich halte es übrigens für eine großartige Idee von Tiziano Sclavi, dass der in einem 1938 entstandenen Bild von Magritte über einem Kamin zu sehende Spiegel derjenige sein könnte, den Alice in “Through the Looking-Glass” 1871 betritt, und dass man über Magrittes Lokomotive in ihn hineinklettern kann. Kurz gesagt: Über Magritte in Lewis Carroll hinein. Solche Querverbindungen durch Zeit und Raum gelingen Sclavi scheinbar nebenbei.
-S. 59/60: Hier finde ich das “Mechanische” der Monsterkrallen interessant. 1987, als die Geschichte erschien, kam gerade der dritte Teil der damals sehr populären “Nightmare on Elm Street”-Serie in die Kinos, in der Freddy Krueger mit Hilfe eines Klingenhandschuhs Angst und Schrecken verbreitet. “Edward Scissorhands” (1990) stand jedoch erst noch bevor.
– Auf S. 64 scheint es sich bei der von Groucho apportierten Zeitung um die “Monsterjäger-News” zu handeln: Details wie “seine Leiche spiegelte sich in einer Pfütze” oder “Spiegel unter dem Bett” würden doch nie und nimmer in einer normalen Zeitung stehen.
In der Regel werden auch die Namen von Toten nicht veröffentlicht. Es heißt immer nur: “58jähriger Radfahrer von Glasscheibe geköpft”, und in welcher Straße oder Gegend das passiert ist.
-S. 61 und 65: Melonen, Melonen. Aber auf S. 62 im 4. Bild auch ein realistischer Londoner der 80er.
Auf S. 90 ist dem Coloristen ein kleiner Fehler unterlaufen. Shirley betont auf S. 91. dass sich nirgendwo in ihrer Wohnung glatte, spiegelnde Flächen befinden, auch nicht im Bad, dennoch hat der Colorist (oder die Coloristin) auf S. 90 im 2. Bild die Wand der Duschkabine spiegelnd eingefärbt. Das ist größtenteils aber auch ein Fehler des (mir ansonsten sehr gut gefallenden) Zeichners, denn im ersten Bild sieht man noch, wie der umlaufende Duschvorhang eine geriffelte Oberfläche erzeugt, während diese im zweiten Bild schlichtweg vergessen wurde. Dieser Fehler führt die Leser kurz auf eine falsche Fährte, man denkt, die Gefahr im Bad geht von der Duschkabine aus.
-S. 93, erstes Bild: Hier habe ich mir den Kopf zerbrochen über das kleine Plakat an der Wand. Es sieht aus, als würde dort “LOUIS” stehen, aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es “LOVIS” heißt, und dass es sich um eine Abbildung des Gemäldes “Innocentia” von Lovis Corinth handelt, 1890 entstanden. Die “Innocentia” tut nur so, als wäre sie unschuldig, in Wirklichkeit kokettiert sie mit ihrer Nacktheit. Das würde gut zu Shirley passen, wir erfahren nämlich auf den kommenden Seiten, dass sie sogar einen Mord zu verantworten hat.
S. 96, mittleres Bild: Dieses Bild ist seltsam, oder? Hier fehlt – im wahrsten Sinne des Wortes – der Wasserspiegel. Es sieht aus, als würde Shirley in einer leeren Badewanne sitzen, aber mit Schaum. Ich glaube, die Beine sollen unter Wasser sein, und hätten bläulicher koloriert werden müssen.
-S. 100, erstes Bild: tolles Detail: Sie war ein Model und wird auch als Leiche noch vom Polizeifotografen abgelichtet.
Diese Geschichte endet sehr düster. Dylan hat nicht viele Freunde/Bekannte/Geliebte, die seine “Abenteuer” überleben, kann das sein? In dieser Episode verliert er gleich zwei Frauen, mit denen er etwas hatte. Aber diese (fabelhaft und sehr anspruchsvoll konstruierte) Geschichte handelt schließlich vom Tod, dementsprechend hält der Schnitter reiche Ernte.
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