Alpha und Omega

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Originaltitel:Alfa e Omega, ursprünglich erschienen 1987, Italien
Autor: Tiziano Sclavi
Zeichner: Corrado Roi

Beobachtungen von Tobias O. Meißner

Anhand dieser Geschichte kann ich ganz gut aufzeigen, wie Tiziano Sclavi arbeitetet, wie er die Versatzstücke mehrerer Filme zusammenrührt, um dadurch aber letzten Endes etwas Eigenständiges zu formen.
– Zuerst einmal ist zu begrüßen, dass Corrado Roi wieder zeichnet. Immer, wenn es um Attraktivität gehen soll (hier wie auch bei “Anna Never”) ist er eine hervorragende Wahl. Leider ist bei ihm Grouchos Schnauzbart immer am Buschigsten. 😉
– S. 221: Die Tentakelsexszene (ein beliebter Topos im japanischen Raum) lässt Assoziationen zu Isabelle Adjani in dem Film “Possession” von 1981 zu. Das ist aber nur eine Assoziation, nichts Zwingendes.
– Zwingender wird es ab S. 244. Das Motiv mit dem durch ein UFO erzeugten militärischen Sperrgebiet stammt aus Steven Spielbergs “Unheimliche Begegnung der Dritten Art” von 1977. Dort wie hier werden die Rinder durch Gas “schlafen gelegt”, um die Bevölkerung zu täuschen. Übrigens macht die Fernsehserie “Akte X” sechs Jahre nach “Dylan Dog” ausgiebigen Gebrauch von diesem Motiv, besonders in der ersten Staffel, besonders in den Folgen “Fallen Angel/Gefallener Engel” und auch “Deep Throat/Die Warnung”.
– S. 254: Das Atemgeräusch, das die Männer in den Schutzanzügen von sich geben, ist sehr clever gewählt, denn “SF” ist die gebräuchliche Abkürzung für “Science Fiction”, und aus Science-Fiction-Filmen setzt sich der Kosmos dieser Episode zusammen.
– S. 271: Der Name “Frank Poole” auf Dylans “Raum”-Anzug ist der Name eines der beiden Astronauten aus “2001 – Odyssee im Weltraum”.
– S. 276: Dass die Amerikaner vor Sputnik im All waren, stellt natürlich die gesamte Weltraumfahrtgeschichte krass auf den Kopf. Sehr unwahrscheinlich übrigens, dass sie ihrem Projekt einen so düsteren Namen wie “Omega” gegeben hätten.
“Alpha-Omega” ist aber der “Name” der Atombombe, die am Ende von “Rückkehr zum Planet der Affen” (1970) die Erde zerstört.
– S. 277: Diese Rückkehr einer von Menschen konstruierten Sonde aus dem All korrespondiert mit der wichtigen Rolle, die “Voyager” – dort zuerst verschleiernd “V’Ger” genannt – im ersten Star-Trek-Kinofilm von 1979 spielt.
– S. 280/1: Hier haben wir den ungefähren Look der Mondstation von “2001 – Odyssee im Weltraum”.
– S. 287: Die Szene mit dem “Haltet mich nicht auf, Menschen” und dem auf den Armen getragenen Körper assoziiert einen Klassiker des Science-Fiction-Kinos: “Der Tag, an dem die Erde stillstand” von 1951, übrigens vom selben Regisseur wie der gerade erwähnte erste Star-Trek-Film, Robert Wise.
– S. 295: Der Weltraum-Korridor lässt wieder “2001” anklingen (Christopher Nolan hat in seinem aktuelleren “Interstellar” den Weltraum aus einem Korridor sogar in eine Bücherregalwand verwandelt ;-)), das Schwarze Loch ist natürlich “Das Schwarze Loch” von 1979. Dass schwarze Löcher leuchten, widerspricht allerdings ihrer Natur, denn sie schlucken ja sogar das Licht.
– S. 299: Und jetzt haben wir noch den berühmten Sterbemonolog von Roy Batty aus “Blade Runner” von 1982. (Dessen ersten Satz auch, ähem, ich in meinem Roman “Neverwake” (erschienen absichtlich genau im Science-Fiction-Jahr 2001) zitiert habe, um die andersartige Erfahrungswelt von Computerspielern zu charakterisieren.)
– S. 302: Hier ahnte man schon, was kommt, und dennoch ist es Corrado Roi gelungen, ein ganz besonders trauriges, zu Herzen gehendes Bild vom Versuchsaffen zu zeichnen.
Zum Thema “Schimpansen fürs All” gibt es übrigens auch einen recht gelungenen, ebenfalls tragischen Film: “Project X”, mit Matthew Broderick, der genau in dem Jahr entstand, in dem diese Dylan-Dog-Episode veröffentlicht wurde (1987), und den Sclavi deshalb sicherlich noch nicht kannte, aber hoffentlich mit einer gewissen Genugtuung danach gesehen hat.
– S. 304: Das Schlussbild ist natürlich wieder “2001 – Odyssee im Weltraum” pur.
Man kann also erkennen, wie Sclavi aus sämtlichen ERNSTHAFTEN Science-Fiction-Filmen seiner Zeit (ja, das sind “Star Trek – The Motion Picture” und “The Black Hole” und auch der zugegeben recht trashige “Beneath the Planet of the Apes” durchaus, denn hier werden Ewigkeits- und Seinsfragen verhandelt, während Sclavi reines Entertainment wie “Star Wars” ruhig ignorieren konnte) sein Süppchen braut, dieses dann aber mit der wichtigsten Ingredienz von allen anreichert:
Wie in seiner “Omega”-Kapsel auch muss im Herzen der Geschichte ein trauriges und anrührendes Wesen versteckt sein.
So wird das unbegreiflich große, weite All dann wieder zutiefst nachvollziehbar verdichtet.
Sclavi zieht (fast wie ein Schwarzes Loch, nur leuchtender) alles heran, was die Filmregisseure ihm anbieten, dirigiert es, kombiniert es neu und ordnet es um eine neue, eigenständige, sehr melancholische Idee.
Galaktisch gelungen, Signore Sclavi!
Dieser dritte Band der LIBELLUS-Edition besteht ausschließlich aus Knüllern.