Jack the Ripper
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Originaltitel: Jack, lo Squartatore, ursprünglich erschienen 1986, Italien
Autor: Tiziano Sclavi
Zeichner: Gustavo Trigo

Beobachtungen von Tobias O. Meißner

Zu diesem Band gibt es viel weniger anzumerken. Ich finde alleine schon den Zeichenstil dem von Angelo Stano himmelweit unterlegen, stellenweise sehen die Zeichnungen beinahe laienhaft aus. Auf offensichtliche Anspielungen wie den Namen “Lord Dunsany” (der in Wirklichkeit aber nicht Archibald hieß), brauche ich nicht einzugehen.

– S. 136: Das erste Bild ist außergewöhnlich sinnlos. Warum mitten in einer Gesprächsszene nach draußen “geschnitten” wird, um dort etwas Unwesentliches (wer soll das überhaupt sein?) zu zeigen, ist mir schleierhaft.

– Schön finde ich auf S. 140, wie im mittleren Bild der Raum verschwimmt. Das ist ein Äquivalent zum Vertigo-Zoom, der in Filmen immer verwendet wird, um inneres Erschrecken darzustellen.

– S. 158: Hübsch, dass Archibald und Margareth wirklich wie in einem Wimmelbildsuchspiel zu sehen wird, worauf dann die S. 193 überdeutlich verweist.

– S.161: Hier finde ich auffällig, dass der Mord an der alten, unansehnlichen Frau in keinem einzigen Bild zu sehen ist, während Morde an jungen, schönen Frauen immer genüsslichst ausgebreitet werden (vgl. S. 141/2 oder 119). Natürlich hat das mit sexuellem Sadismus zu tun, mit der Lust und der Wut auf Modelmädchen (woraus sich ja die gesamte Fernsehsendung “Germany’s next Top Model” speist). Vielleicht ist es aber auch ein wenig Respekt vor der Würde älterer Frauen. Komplexes Thema.

– S. 171: Das zweite Bild ist absurd. Es sieht aus, als würde jemand auf einem beleuchteten Glasfenster stehen. Es soll sich aber um Fenster handeln, die sich auf nassem Untergrund spiegeln. Also müssten die Beine des darauf Stehenden Schatten nach hinten werfen und die Fensterspiegelung überlagern. Wieder ein Fehler des insgesamt schlappen Zeichners, so wie die vielen Melonenträger, die auf den S. 129, 146 und 159 die Stadt bevölkern. Anfang der 80er war ich auch mal in London, da trug schon niemand mehr Melone. Das ist eher ein Klischee aus den 60ern.

– S. 186: Anbetracht der Tatsache, dass es in dem ganzen Fall um “Jack the Ripper” geht, finde ich es seltsam, dass die entsprechende Wachsfigur erst hier auftaucht, und nicht bereits beim ersten Besuch Dylans im Wachsfigurenkabinett von Dylan oder Jane thematisiert wurde.

– Überhaupt finde ich, dass der Zeichner mit dem Wachsfigurenkabinett sehr schlampig umgeht. Wieso ist auf S. 191 plötzlich ein Gorilla groß im Bild und sonst nirgends? Falls das King Kong sein soll, ist er aber deutlich zu klein. Warum sieht Dracula auf S. 192 unten eindeutig wie Christopher Lee aus, auf S. 132 aber noch ganz anders? Warum sieht Frankensteins Ungeheuer auf S. 194 aus wie Boris Karloff in “Bride of Frankenstein”, auf S. 133 aber eher wie ein schlecht geschminkter Michael Rennie?

Der Kriminalplot ist gut ausgeheckt und ergibt Sinn (einen Mord mit weiteren Morden zu kaschieren findet sich auch in dem “Jack Reacher”-Film von 2012, ist also immer noch ein Thema auch aktueller Produktionen), aber allgemein krankt diese Episode ein wenig daran, dass sie so wenig mit Jack the Ripper zu tun hat. Sicher, Alan Moores meisterliches “From Hell” gab es 1986 noch nicht, aber warum hat Jack the Ripper bzw. seine Wachsfigur am Ende eine Axt in der Hand? Der echte Jack the Ripper hat niemals mit einer Axt “gearbeitet”. Auch hat er nie einen Mann getötet, geschweige denn ihn geköpft und seinen Kopf mit dem eines Tigers ersetzt. Das ist alles etwas unschlüssig. Spätestens den Mord an Lord Dunsany würde niemand Jack the Ripper zurechnen.

Das Finale aber finde ich sehr gelungen. Acht annähernd wortlose Seiten, auf denen alles kippt, alles Logische zum Crescendo des Grauens verschwimmt, und es dennoch aufgrund des Schmelzens der Wachsfigur eine Erklärung für ihre “Bewegung” (wenn auch nicht für ein wiederholtes Zuschlagen) geben könnte.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Hier kann man nur noch den Hut abnehmen. Anmerkung der Übersetzerin.