DYLAN DOG – Sclavis Meisterwerk ist zurück!
Zur neu gestarteten, chronologischen Farbausgabe des Klassikers
Was tun? Da gibt es einen enorm spannenden, intelligent gemachten, äußerst phantasievollen, mit Herzblut geschriebenen, leicht zu lesenden, zumeist toll gezeichneten, sich im Mutterland Italien wie wild verkaufenden – in den 90ern bis zu 1 Million Auflage! – und kultisch verehrten Horrorcomic des großen italienischen Kioskverlags Bonelli, der keineswegs nur für Fans des Genres interessant ist, da er unzählige Anspielungen auf die Popkultur enthält, doch in Deutschland schleppt sich DYLAN DOG nur mühsam dahin. Die von 2001-2003 bei Carlsen und von 2003-2009 bei Schwarzer Klecks erschienene Reihe musste schließlich eingestellt werden – immerhin erst nach 62 Ausgaben, doch sie stand auch zuvor schon immer wieder vor dem Aus. Man kann halt niemanden zu seinem Glück zwingen …
Und warum ist das alles so schwierig? Die simple
Erklärung ist eigentlich bekannt: Weil der deutsch-
sprachige Leser die Comics halt so schrecklich gern in Farbe liest („Alles so schön bunt hier!“, meinte Nina Hagen) und DYLAN DOG nun mal, wie fast alle Bonelli-Titel, in Schwarzweiß produziert wird. Der Aufstieg der schwarzweißen Mangas änderte das Kaufverhalten der Deutschen leider kaum.
Doch der Verlag Libellus, der DYLAN DOG erfolgreich in Kroatien in Schwarzweiß herausgibt, kommt den Deutschen und ihren Sehgewohnheiten nun entgegen und startet Ende 2014 mit der Herausgabe der ersten 150 Abenteuer (von bis heute 340 Bänden) in der angenehmen, unaufdringlichen Kolorierung der italienischen Ausgabe, die die Tageszeitung Repubblica in Auftrag gab, mit drei 98-seitigen Episoden pro Buch, in Hardcover und dem Format 26,6 x 17,6 cm (das etwas größer ist als das typische Bonelli-Format, aber keineswegs die Seiten „aufbläst“). Vorerst sollen vier Bücher im Jahr herauskommen. Doch bei Erfolg können es auch mehr werden. Bis zu einem Buch pro Monat ist vorstellbar. Verleger Damir Raic, der sehr gut Deutsch spricht und sich seit Jahren auch für die hiesige Comic-szene interessiert, ist selbst ein großer Comicliebhaber. In seinem Heimatland brachte er in zehnjähriger Verlagstätigkeit bereits rund 600 Comicbände heraus. Ihm geht’s nicht ums schnelle Geld, er denkt langfristig.
Warum die ersten 150 Storys? Keine Frage, später sind auch noch viele gute Episoden entstanden, aber in dieser Ära wurde der „Mythos Dylan Dog“ geschaffen, ist die Serie zum Millionenseller geworden, weil sie aufregend anders und vielleicht auch – zumindest in der Anfangszeit – keineswegs immer politisch korrekt war. Dies ist auch die Ära, in der der Schöpfer DYLAN DOGs, Tiziano Sclavi, von dessen persönlichen Eigenschaften, Problemen und Leidenschaften die Serie stark geprägt ist, regelmäßig an Bord war. Bis Nr. 150 stammen 77 Folgen aus seiner Feder, danach und bis heute nur mehr 11. Warum dieser Rückzug? Sclavi, der trotz seines Megaerfolges mit Depressionen zu kämpfen hat und sich in der Zeit seines größten Triumphes von der Öffentlichkeit abkapselte (einer der wenigen Fans, die zu ihm durchdrangen, wurde seine Ehefrau), fiel irgendwann wieder in seine frühere Alkoholsucht zurück, wodurch die Kreativität lange Zeit litt. Auch wenn es ihm heute wieder gut geht und er die DYLAN DOG-Neuproduktion mit Interesse verfolgen soll, so richtig ist er nicht wieder zurückgekehrt. Sclavi kennt das Leid und identifiziert sich mit seinen Monstern, nicht mit seinem Helden, aber er legt in Dylan eben nicht nur seine Probleme, sondern auch sein Mitgefühl hinein. Das macht Dylan Dog zu einem der menschlichsten Comic-helden überhaupt.
Was bei den bisherigen deutschen Veröffentlichungen irgnoriert wurde, ist die Chronologie der Reihe. Da die Abenteuer in sich abgeschlossen sind, schien das keine Rolle zu spielen. Doch ganz so ist es nicht, es gibt sehr wohl immer wieder aufeinander aufbauende inhaltliche Zusammenhänge. Natürlich wird so manche DD-Story nun zum zweiten Mal veröffentlicht. Episode 1-4 sind z.B. bereits bekannt, doch von Folge 5-13 ist keine einzige auf Deutsch erschienen, und dabei handelt es sich um hervorragendes Material. Von den 150 geplanten Geschichten sind nur 48 in der Carlsen/Schwarzer-Klecks-Reihe enthalten.
50 Bücher sind geplant. Jeder Band erscheint mit einem neuen Cover von Bruno Brindisi, einem der besten DD-Zeichner (Er gestaltete u.a. die legendäre, auf Deutsch noch nicht erschienene Nr. 121, in der Dylan eine ehemalige IRA-Terroristin heiratet). Die Originalcover werden im Innenteil der Bücher abgedruckt. Jedes der fadengehefteten Bücher wird auch mit einem aufschlussreichen Vorwort versehen. Fast hätte ich´s vergessen: Die sehr bewährte DD-Übersetzerin Monja Reichert ist wieder mit dabei! Der Preis von EUR 29,90 ist bei 304 Seiten in dieser Ausstattung durchaus moderat. Mehr kann man nicht erwarten. – Eine deutsche Homepage von Libellus ist in Arbeit, doch Detailinfos zu den ersten vier Büchern (Band 1 erschien am 17. Dezember), sind bereits hier unter dem Stichwort „Dylan Dog“ zu finden: ppm-vertrieb.de. Und wer bei Google die Worte „ppm Damir Raic“ eingibt, kann ein Interview mit dem Verleger zur DD-Reihe lesen. Die kroatische Verlagsseite lautet: libellus.hr. Sie zeigt auch Ausgaben anderer Bonelli-Reihen wie z.B. ZAGOR, TEX, MISTER NO, MARTIN MYSTÈRE und NATHAN NEVER. Vielleicht schafft Bonelli es über den Umweg Libellus ja doch noch zu uns?* Für so manchen Fan ist das ein längst aufgegebener Traum.
*Geschafft hat es die SF-Serie WAISEN, die zur Zeit bei Cross Cult läuft (bisher 4 Bände). Von 2007-09 brachte Bonelli auf dt. die Horrorreihe DAMPYR heraus (10 Bände).
Von Gerhard Förster
Aus: www.die-neue-sprechblase.at
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